Die Welt ist zu schön, um darüber hinweg zu fliegen

Schlachtfelder zweier Kriege, der Garten eines Malers und eine berühmte Abtei

Diesen Sommer geht es für uns nach Westen, nämlich in die Bretagne. Unsere erste Übernachtung haben wir bei Verdun, 534 km von zuhause entfernt und somit eine gute Tagesetappe. Wir stehen auf einem sehr schönen, ländlichen Stellplatz nur 5 km von den Schlachtfeldern der Schlacht von Verdun aus dem 1. Weltkrieg entfernt.

Das erste Abendessen der Reise

Am nächsten Tag fahren wir mit dem Rad durch den ´“Wald von Verdun“ hinauf zum Beinhaus von Douaumont. Die Schlacht von Verdun dauerte 300 Tage und forderte das Leben von 700.000 jungen Männern und zermalmte die Seelen unzähliger Überlebender. Die 20.000 Hektar des Schlachtfeldes sind danach völlig verwüstet: von Granattrichtern übersät, jeder Vegetation beraubt, von Gasangriffen kontaminiert und voller menschlicher Überreste. 1923 wird das Gebiet, die sogenannte „zone rouge“ wieder aufgeforstet. Noch heute liegen im Wald die Gebeine von geschätzt 80.000 Soldaten. Der Wald überwuchert allmählich all die alten Befestigungen und Schützengräben. Auf dem Waldweg zum Plateau von Douaumont hinauf passieren wir einige davon.

Am Rand des Weges sieht man noch die alten Granattrichter
Befestigung, heute mitten im Wald
Hier suchten in drangvoller Enge unzählige Soldaten Schutz

Das Plateau von Douaumont (benannt nach einem nahe gelegenen, völlig zerstörten und nie wieder besiedelten Dorf) liegt wie eine Lichtung mitten im Wald. Eine weite Grasfläche voller weißer Kreuze, die Kriegsgräber ziehen sich hinauf bis zum Beinhaus. Das architektonisch sehr ungewöhnlich gestaltete Gebäude wurde nach 12 Jahren Bauzeit 1932 eingeweiht. Die beiden Gewölbeflügel enthalten 46 Seitenkammern geordnet nach den verschiedenen Abschnitten des Schlachtfeldes. In jeder Kammer stehen zwei bis drei symbolische Granitsarkophagen. Diese symbolischen Gräber überspannen 14 m2 große Grüfte, in denen die Knochen liegen, die man in dem Gebiet gefunden hat. Rote Glasfenster tauchen alles in blutiges Licht. Über den Eingangsportalen ist „PAX“ eingemeißelt. In der Mitte befindet sich ein Turm, dessen Treppenhaus wirkt wie ein Bild von M.C. Escher. Wir steigen hinauf bis zur Glocke und den sogenannten Laternen der Toten, die nachts ihr Licht auf Schlachtfeld und Friedhof werfen. Ein Film informiert über die Schlacht, was einem das Ganze noch näherbringt. Es ist eindrucksvoll und sehr bewegend.

Ossuaire de Douaumont
Treppenhaus des Turms
Laterne der Toten
Blick durch ein kleines Fenster in eine der Grüfte
Deutsche oder französische Soldaten? Wer kann es noch sagen?

Unseren Abstecher zum verlassenen Dorf Douaumont brechen wir relativ schnell ab. Zum einen ist außer Granattrichtern nicht viel zu sehen, zum anderen führt die französische Armee unmittelbar daneben auf einem Schießplatz eine Übung durch. Es ist laut und klingt für unseren Geschmack zu nah und ist an diesem Ort doch makaber.

Sehr eindrucksvoll ist auch das riesige, Großteils unterirdische Fort Douaumont. Es war relativ schnell von deutschen Truppen erobert worden, da es von nur 60 bis 70 französischen Artilleristen belegt war. Die Verluste bei den unzähligen Versuchen der Rückeroberung waren enorm denn das Fort stellte sich dank seiner Bauweise aus Beton als sehr widerstandfähig heraus. Der innere Kern mit seinen vielen Untergeschossen überstand den Beschuss durch ca. 400.000 Granaten, auch wenn von den Außenmauern nicht viel übrigblieb. Innen liegen in einem zugemauerten Seitengang 679 deutsche Soldaten begraben, die in der Festung durch die Explosion eines Munitionslagers umgekommen sind und wegen Artilleriebeschuss nicht außen begraben werden konnten. Gruselig!

Wir besichtigen das Innere (das an diesem glutheißen Tag sehr kühl ist) und sind überwältigt von diesem Labyrinth, das sich über mehrere Stockwerke in die Tiefe erstreckt. Es gibt zwei 155 mm Galopin Geschütze von 1907, deren Deckel sich mit Hilfe von 37 Tonnen Gegengewichten 60 cm in Schuss Position anheben ließen. Sie waren letztendlich eine Fehlkonstruktion denn der Lärm im Inneren der Festung war höllisch wenn sie abgefeuert wurden und das ausströmende Kohlendioxid fing sich in den Gängen.

Über dem ehemaligen Fort wehen die deutsche, die französische und die europäische Fahne
Feuchte Gänge
155 mm Galopin Geschütz
Funktionsweise des Geschützes
Äußerer Deckel des Geschützes
Massengrab in der Festung

Am nächsten Morgen geht es in einem großen Bogen um Paris herum weiter nach Giverny. In Giverny lebte der französische Maler des Impressionismus Claude Monet von 1883 bis zu seinem Tod im Jahr 1926. Monet interessierte sich sehr für Gartenkunst, las Fachliteratur und besuchte Gartenausstellungen. In Giverny legte er den Garten seiner Träume an, der auch Inspiration für viele seiner Gemälde war.

In Giverny kann man auf einem Bereich des Besucherparkplatzes kostenfrei mit dem Wohnmobil übernachten. Am Abend, als es etwas abgekühlt ist, mache ich noch einen Spaziergang durchs Dorf. Tagsüber überfüllt von Tagestouristen ist es um diese Zeit beschaulich und ruhig und man kann gut nachvollziehen, warum Monet sich hier angesiedelt hat.

Übernachtung in Giverny
Haus von Monet. Der Garten liegt hinter einer hohen Mauer

Am Morgen stehen wir pünktlich zur Kassenöffnung am Eingang, trotzdem sind schon 6 Reisebusse da. Als wir abfahren, zählen wir 32 Reisebusse auf dem Parkplatz! Der Garten ist aber auch wirklich schön. 1883 begann Monet ihn anzulegen, damals hatte er das Haus nur gemietet. 1890 kaufte er das Anwesen und erweiterte den Garten um den Wassergarten auf der anderen Straßenseite. Zu der Zeit beschäftigte er bereits 6 Gärtner. Seine grandiosen übergroßen Seerosenbilder (2m hoch, 8 bis 10 m lang), die heute im Musée de l’Orangerie in Paris ausgestellt sind, hat er hier in Giverny in einem eigens dafür gebauten riesigen Atelier gemalt.

Im Blumengarten nahe des Hauses
Im Wassergarten
Die berühmten Seerosen
Wartezeit um ins Haus zu kommen: 15 min
Wir sind nicht alleine: alle wollen den Blick aus Monets Schlafzimmerfenster fotografieren
Das Eßzimmer: für die damalige Zeit ungewöhnliche Farbwahl
Grüne Fensterläden waren ebenfalls ungewöhnlich. Ein Künstler eben!

Am späten Nachmittag erreichen wir die Küste der Normandie. Wir haben uns einen Stellplatz auf einem Landgut ausgesucht, das nahe Omaha Beach liegt, weil man von hier aus mit dem Fahrrad die Küste gut erkunden kann. Wir haben riesiges Glück, dass gerade ein Platz frei wird als wir ankommen, denn hier ist es besonders schön!

Großzügiger Stellplatz an der Ferme de la Rouge Fosse
Ferme von der Gartenseite
Vor der Ferme weht wie an vielen Häusern hier in der Gegend die amerikanische Fahne

Wir sind nicht wegen des Strandlebens hier, sondern weil wir uns D-Day Relikte anschauen wollen. D-Day bezeichnet den 6.6.1944, den Tag, an dem die Alliierten auf einem 98 km breiten Streifen zwischen der Halbinsel Cotentin im Westen und Quisteham im Osten angriffen. Die Landungsgebiete hatten Tarnnamen: die westlichen, wo die Amerikaner landeten wurden Utah und Omaha Beach genannt. An den anschließenden Bereichen Gold, Juno und Sword Beach landeten die Engländer und Kanadier. 170.000 Soldaten, 6000 Schiffe und 11590 Flugzeuge waren an der Landung beteiligt. Die Landung war sehr gut vorbereitet, es gab geheime Probelandungen, die Bodenproben nahmen und Informationen über die deutschen Stellungen sammelten, mit einem U Boot wurde die Wassertiefe ausgelotet und Taucher untersuchten den Meeresgrund auf Hindernisse. Skurril klingt auch, dass die britische Admiralität 9 Millionen Fotos und Postkarten britischer Bürger auswertete, um detaillierte Karten der Topografie zu erstellen. Gleichzeitig gab es ausgefeilte Ablenkungsmanöver, um die Deutschen davon zu überzeugen, dass der Angriff im Bereich Pas-de-Calais und nicht weiter westlich erfolgen sollte.

An einem Tag radeln wir entlang der Steilküste auf einem tollen Radweg nach Westen zum „Pointe du Hoc“. Dort befand sich eine Stellung der Deutschen, die den gesamten Landungsbereich der Amerikaner (Utah und Omaha) hätte beschießen können. Sie wurde daher zuerst aus der Luft bombardiert und dann von amerikanischen Rangern gestürmt. Wie schwierig das gewesen sein muss, kann man nachvollziehen, wenn man oben an der Steilküste steht.

Radtour auf dem Küstenradweg
Pointe du Hoc am D-Day
Pointe du Hoc
Diese Steilküste mussten die amerikanischen Ranger hinaufklettern
Der nächste Ort: Grandcamp-Maisy

Am nächsten Tag geht es zum Omaha Beach, einem langen Strandbereich zwischen Steilküste auf beiden Seiten. Letztendlich ist hier die Steilküste hinter dem Strand aber nur ein paar 100 m zurückversetzt. Um hinauf ins Hinterland zu kommen, mussten die Landungstruppen den Weg durch zwei Täler erobern. Am Strand liegt noch ein riesiger Ponton aus Beton der zu einer künstlichen Mole gehörte, mit deren Hilfe Fahrzeuge und Nachschub an Land gebracht wurden. Überall gibt es Informationstafeln, die Fotos von damals zeigen und erklären, was an diesem Ort jeweils geschah. Heute ist der Strand wieder ein Badestrand, gesäumt von schönen Ferienhäusern.

Denkmal am Omaha Beach
Reste des schwimmenden Hafens
Denkmal am Omaha Beach
Denkmal am Strand

Zum Abschluss wollen wir noch zu den amerikanischen Kriegsgräbern und vertrauen auf die Wegvorschläge von Google Maps. Das ist ein doppelter Reinfall: Weg Nr 1 hinter den Dünen ist zum Radfahren zu sandig. Wir drehen um, weil wir nicht zwei km das Rad schieben wollen. Der nächste Vorschlag ist fast noch schlimmer: ein Weg durch den Wald, der aber durch eine tiefe Schlucht führt und extrem schlammig ist. Aber wir schaffen es, wenn auch knapp. Auf dem Rückweg nehmen wir doch lieber die Straße! Auf dem amerikanischen Friedhof liegen 9387 amerikanische Soldaten, jedes Grab ist gekennzeichnet durch ein Kreuz bzw. einen Davidsstern aus Marmor. Im Mittelpunkt des Memorials steht eine riesige Statue, die den Geist der amerikanischen Jugend symbolisieren soll. An den Wänden findet man meterhohe Karten, auf denen die Bewegungen der verschiedenen Teile der amerikanischen Armee beim Vormarsch nach Deutschland mit roten Pfeilen dargestellt sind. Der Blick vom Friedhof aufs Meer und den Strand ist überwältigend. Anrührend die Grabaufschrift bei nicht identifizierten Toten: „A brother in arms, unknown but to God“ (ein Waffenbruder, uns unbekannt aber Gott kennt ihn).

Amerikanischer Soldatenfriedhof
Memorial
Karte der Landungsstrände im Memorial

Unser nächstes Ziel ist die Spitze der ins Meer ragenden Halbinsel Cotentin. Das Wetter ist unbeständig, Regenschauer und Sonne wechseln sich ab. Von unserem Campingplatz bei Barfleur radeln wir zuerst zum Leuchtturm von Gatteville der 1835 in Betrieb genommen wurde und der zweithöchste Leuchtturm Europas sein soll. Anschließend geht es nach Barfleur, ein ganz entzückendes Städtchen mit einem schönen Hafen.

Phare de Gatteville
Typisch normannischer Kirchturm
Barfleur

Unsere letzte Station in der Normandie ist das Highlight der Gegend: der Mont St. Michel. Gleich am Abend unserer Ankunft fahren wir mit dem Rad hinüber, um einen Blick auf den Berg zu werfen. 2013 wurde der Damm, der den Inselberg mit dem Festland verband abgerissen und durch eine elegante, 760 m lange Brückenkonstruktion aus Holz und Stahl ersetzt. Sie bietet viel Platz für Fußgänger und Radfahrer und eine Fahrspur für die Shuttlebusse, die zwischen dem 2.5 km entfernten Parkplatz und der Insel verkehren. Interessant sind die Shuttle-Busse aus technischer Sicht. Sie fahren bis ans Ende der Brück und entladen ihre Passagiere. Danach verlässt der Fahrer das Führerhaus, geht einmal um den Bus herum und setzt sich an das Steuer am anderen Ende des Busses. Dann fährt er nur noch in der anderen Richtung an die andere Straßenseite, belädt das Fahrzeug und fährt zurück. So spart man den Platz zum Wenden.

Am Tag unserer Ankunft ist das Wetter recht schlecht
Am nächsten Tag ist gutes Wetter!

Der Grund für den Neubau war, dass die Bucht immer mehr versandete und man befürchtete, dass der Mont bald keine Insel mehr sein würde. Eine weitere Maßnahme war der Bau eines Stauwerks am hier mündenden Fluss Couesnon, das durch Wassermanagement die Strömungsgeschwindigkeit des abfließenden Wassers erhöht, so dass der Schwemmsand wieder zurück ins Meer genommen wird. Tatsächlich hat sich seit Beginn der Maßnahme der Wasserspiegel deutlich erhöht. Am nächsten Tag besichtigen wir auch die Abtei an der Spitze des Berges. Das Wetter ist wesentlich besser als am Vortag und wir machen unzählige Fotos. Am späten Nachmittag kommen wir noch einmal zurück, um das Einströmen der Flut zu beobachten.

Blick von der Abtei auf die Bucht
Der Speisesaal der Mönche
Blick aus der Stadt auf die Abtei
Gleiche Blickrichtung wie beim vorigen Bild, nur aus großer Höhe
Ein ständiges Kommen und Gehen!
Und zum Abendessen noch ein frisches Baguette aus dem Automaten!

Peters Drohnenfotos sind übrigens alle völlig legal! In Frankreich war das bisher bei allen Sehenswürdigkeiten erlaubt, offensichtlich gibt es nicht so viele Drohnen, dass man deren Verwendung reglementieren muss.

7 Antworten

  1. Hallo ihr beiden,
    in Barfleur hätten wir uns treffen können. Wir waren am Freitag, dem 25.08.2023 dort.

    Heißer Tipp: probiert unbedingt Strandsegeln aus. Wir waren 40km/h schnell bei nur 30km/h wahrem Wind.
    Für Segler ist eigentlich nichts zu lernen: reinsetzen und Segel dicht holen.

    MFG
    Wolfgang

  2. Hallo Ulrike und Peter,
    vielen Dank für die sehr informativen und ausführlichen Berichte und die sagenhaften Fotos. Besonders die Drohnenfotos sind beeindruckend, das ist halt eine ganz andere Perspektive. Ich freue mich schon auf Eure weitere Berichte.
    Weiterhin ein gute erlebnisreiche Reise.
    Norbert

  3. Hallo Ihr Beiden,
    wieder ein wunderbarer Reisebericht! Ich denke wir müssen doch unsere Räder mit auf die Tour nehmen, so wie Ihr.
    Danke und viele Grüße
    Horst und Debbie

    1. Danke ihr Beiden, die Mitnahme von Rädern auf so eine Tour können wir nur wärmstens empfehlen. Der Aktionsradius vergrößert sich deutlich und man braucht das Wohnmobil nicht zu bewegen.

  4. Hallo ihr zwei, super tolle Bilder und Beschreibungen.
    Wir waren 2021 im Herbst in der Bretagne und uns hat es dort sehr gut gefallen. Auch die Geschichte des D-Days konnte man so hautnah mitfühlen und begreifen was das für eine Schlacht war. Warum lernt die Menschheit nicht daraus?
    Wir wünschen euch weiterhin eine tolle Reise und Danke, dass wir in euren Blog reinschauen dürfen.

    1. Vielen Dank für die netten Worte, wir sind damals interessiert euren Statusbildern gefolgt und das war auch ein Grund warum wir jetzt hier gelandet sind.

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