Unterwegs mit unserem Wohnmobil Balu

Die Welt ist zu schön, um darüber hinweg zu fliegen

Von Bosnien nach Montenegro

Am Morgen des 15.9. verlassen wir Sarajevo Richtung Süden mit dem Ziel Mostar. Unterwegs wollen wir noch einen Supermarkt aufsuchen, um unsere Vorräte aufzustocken. Das kostet uns wider Erwarten viel Zeit. Der erste Supermarkt ist zwar riesig aber extrem schlecht beleuchtet und sortiert und Gemüse und Obst sind in grottigem Zustand, so dass wir unseren Einkauf abbrechen. Beim zweiten Versuch läuft es etwas besser, aber Obst kauft man wohl besser an einem Stand an der Straße. Die sind leider sehr Paprika und Zwiebel lastig. Unterwegs schauen wir uns in Konjic eine schöne alte Brücke an, verzichten aber auf die 90 Minuten dauernde Führung durch den nahe gelegenen Atombunker Titos. Der nächste Stopp ist auch schnell abgehakt: eine im Krieg zerstörte Eisenbahnbrücke, die noch halb im Abgrund der Schlucht hängt.

Noch ist die Gegend sehr bergig und gar nicht mediterran. Das ändert sich abrupt, als wir entlang der sehr schönen Schlucht des Flusses Neretva abwärtsfahren. Kurz vor Mostar weitet sich das zuvor enge Tal und plötzlich gibt es Zypressen, Olivenbäume und Weinfelder. Und es ist heiß!

Wir fahren ein Stück in ein Seitental südöstlich der Stadt nach Blagaj. Ein schmaler Weg führt entlang einem Flüsschen auf den Parkplatz des Derwischklosters, das direkt an einer Karstquelle liegt. Das Kloster liegt wirklich traumhaft und davor laden viele Lokale mit direkt am Fluss gelegenen schattigen Gärten zur Einkehr ein. Dort essen wir eine sehr leckere Forelle und genießen den Blick und den leichten Luftzug am Wasser. Diese Hitze sind wir nicht gewöhnt! Wie schon unterwegs, fallen arabische Touristen auf, Familien mit Kindern und Frauen in schwarzen Abbajas. Dazu passt die arabische Beschriftung an einigen Lokalitäten unterwegs. Vielleicht reist man gerne nach Bosnien, weil es exotisch grün ist und muslimischen Lebensstil und Essen bietet?

Auf dem Weg zu unserem Campingplatz am Fluss Neretva bekommen wir bereits einen ersten Eindruck von Mostar, da die Straße entlang der Berge am östlichen Stadtrand führt. Viele Moscheen im Tal, eine die Aussicht dominierende orthodoxe Kirche am östlichen Stadtrand und ein riesiger Kirchturm in der Innenstadt. Später erfahren wir, dass er zum Franziskanerkloster im Westteil der Stadt gehört. Auf dem Berg am westlichen Stadtrand steht ein großes Kreuz. Eine spannende Vielfalt angesichts der Konflikte zwischen Bosniaken, Kroaten und Serben.

Am Morgen des 16.9. steht eine Stadtführung in Mostar an. Der erste Eindruck: es gibt noch viele zerstörte Gebäude! Wir besichtigen als erstes ein sehr schönes, altes türkisches Haus in der östlichen, muslimisch geprägten Altstadt. Wunderschön mit Hof, Sommer- und Winterräumen und einem Zimmer mit Erkern über dem Fluss.

In der Altstadt am Ostufer überwiegen enge Sträßchen, viele Souvenirläden und ein Bazar und Moscheen. Highlight ist natürlich die berühmte Alte Brücke, nach der Mostar benannt ist: Mostar bedeutet Brückenwächter. Die Brücke wurde 1566 erbaut, als Brücke mit Wehrtürmen auf beiden Seiten. Die Steinbrücke ersetzte eine bewehrte Holzbrücke, die es hier seit 1454, also seit vor-osmanischer Zeit gab. Der Führer meinte, es sei wegen COVID wenig los, in normalen Zeiten müsse man mit 30 min rechnen, nur um die Brücke zu überqueren. Für unseren Geschmack sind trotzdem viele Touristen unterwegs. Unser Führer weicht der Frage, wer denn nun die Brücke 1993 zerstört habe aus, er möchte neutral bleiben und verweist darauf, dass man das ja alles bei Wikipedia nachlesen könne. Auch der kleine Bildband zur Brücke, den wir gekauft haben, umschifft diese Frage diskret. Also haben wir eben bei Wikipedia nachgelesen! 1992 wurde die Stadt von der ehemaligen jugoslawischen Armee, also den Serben belagert und von den Bergen aus unter Beschuss genommen. Bosniaken und Kroaten haben anfänglich zusammen gegen die Serben gekämpft, sich aber nach einem Jahr entzweit und erbittert gegeneinander gekämpft. Ostufer (Bosniaken) gegen Westufer (Kroaten) und beide haben fortgesetzt, was in der Belagerung begonnen wurde: nämlich ihre eigene Stadt systematisch in Schutt und Asche zu legen. Gezielt wurden Baudenkmäler, Moscheen, Kirchen, Synagogen, die Brücken, Schulen, Kindergärten, Krankenhäuser, Hotels, die Universität, usw. zerstört. Mostar war die Stadt, die im Krieg 1992-1995 am schlimmsten zerstört wurde. Die Alte Brücke war bereits schwer beschädigt und wurde schließlich am 9.11.1993 endgültig zerstört. Dafür und für andere Kriegsverbrechen wurde ein kroatischer General vom Internationalen Gerichtshof in zweiter Instanz verurteilt und beging noch im Gerichtssaal Suizid, indem er Zyankali schluckte. Bei unserer Fahrt über Land sehen wir auch immer wieder an Abmauerungen entlang der Straße gesprayt: Remember Srebenica! Don‘t forget. Natürlich nur in bosniakischen Gebieten, nicht in serbischen!

Gegen Mittag verlassen wir Mostar und fahren über kleine Straßen Richtung Montenegro. Ein Higlight unterwegs ist die Besichtigung mittelalterlicher Stecchi, nahe dem Städtchen Stolac. Stecci sind teils mannshohe Steinquader, die Gräber aus dem 14./15. Jahrhundert markieren. Von solchen Stecci findet man auf dem gesamten Balkan ca. 70.000 und sie sind als Weltkulturerbe anerkannt. Typischerweise zeigen sie Kreuzsymbole, die aber wegen der osmanischen Besatzung als Anker oder ähnliches getarnt sind. Oft ist ein Krieger auf ihnen dargestellt, über der rechten Schulter die Sonne, über der linken seinen Bogen. Einige zeigen auch Pferde oder spiralförmige Symbole. Ein junger Mann aus dem kleinen Besucherzentrum erklärt uns alles auf englisch. Sehr eindrucksvoll!

Der Ort Stolac selber bleibt uns durch ein schlimmes Wendemanöver in Erinnerung. Auf der Suche nach einem Parkplatz fahren wir ein Sträßchen entlang, unser Navi will uns über eine Brücke führen. Die stellt sich leider als schmale mittelalterliche Bogenbrücke heraus, breit genug für Esel, aber viel zu schmal für Balu. Also wieder rückwärts zurück und abenteuerlich zwischen Abgrund und Garagentor gewendet. Danach haben wir keine Lust mehr auf Stolac, bzw. schon alles gesehen, was es zusehen gibt.

Ganz besonders schön ist die Strecke zwischen dem Pass und dem Städtchen Trebinje entlang des Flusses Trebisnica. Ein wunderschöner von seitlichen Mauern gefasster Fluss in einem weiten Tal, ein Traum für jeden Kanufahrer. Nur die Infrastruktur wäre für Kanuten katastrophal, weil alle Dörfer weit oben am Berg liegen. Trotzdem sie nicht an der Straße liegen, beträgt die Geschwindigkeitsbegrenzung 50 km/h wie innerorts. Das nervt, kein Haus weit und breit, aber man muss langsam fahren denn die Polizei ist äußerst präsent.

Die modern ausgebaute bosnische Grenze ist schnell passiert, nach einem km folgt die von Montenegro. Eine bessere Baracke, zwei Katzen lagern auf dem Fensterbrett, der erste Hilfe Kasten an der Wand ist völlig verrostet, aber: Free Wifi! Das wichtigste ist wieder unser Impfausweis!

Auf dem Weg die Berge hinunter ans Meer stehen wir 20 Minuten an der Ampel einer Baustelle und werden dann die alte Passstraße hinunter geleitet, die heute eigentlich nur noch als Radweg genutzt wird. Eng und etwas abenteuerlich, aber dann sind wir am Meer.

Es ist schwülwarm, wir gehen erstmal schwimmen und sitzen noch bis spät abends mit unseren Klappstühlen an der Promenade, schauen auf Meer und trinken Wein!

Am nächsten Tag (17.9.) geht es COVID konform mit einem offenen Ausflugsboot nach Kotor. Das Boot holt uns sozusagen an den Wohnmobilen ab, nämlich am Anleger vor dem Campingplatz.

Die Bucht von Kotor ist so eng, dass man meinen könnte, sich auf einem großen See zu befinden. Der erste Stopp erfolgt an einer Insel mit einer Kirche (Our lady of the Rocks), der zweite am Ufer nordwestlich von Kotor an der Kirche „Our lady“. Ein herbeieilender Kirchenwärter öffnet die Kirche für uns und startet auch gleich seine CD mit Kirchenmusik. Die Kirche ist von außen schöner als von innen, aber innen fasziniert ein atemberaubendes riesiges modernes Bild in Kreuzform des Künstlers Mihailo Jovicevic. Aus der Ferne sieht man nur Farbtupfen, aus der Nähe aber ein Gewimmel von Menschen. Unten sind Jesus und die Jünger dargestellt. Ein solch geniales Bild in einer sonst so konventionellen Kirche ist überwältigend!

Kotor ist komplett von einer Stadtmauer umfasst, ist älter als Dubrovnik aber kleiner und vom Krieg verschont, der Montenegro nicht erfasst hat. Die Mauer zieht sich weit den Berg hinauf, wir verzichten aber darauf hochzuklettern, weil es uns einfach zu heiß ist. Unmittelbar an der Mauer entspringt ein Fluss, so dass man sich um Süßwasser auch keine Sorgen zu machen brauchte. Eine schöne alte Stadt, die in normalen Zeiten wahrscheinlich völlig überlaufen ist.

Auf dem Rückweg legen wir noch einen Stopp im Städtchen Perast ein, das ebenfalls sehr hübsch ist!

Am 18.9. geben wir uns einfach nur dem Strandleben hin, baden, lesen und räumen ein bisschen auf. Am Abend gibt es das Begrüßungsessen für Montenegro, ebenfalls CORONA konform im Freien am Campingplatz.

Am 19.9. verlassen wir die Bucht von Kotor und fahren mit der Fähre ans andere Ufer und von dort nach Budva.

Die Küste ist spektakulär, weil die Berge so steil ins Meer abfallen. Budva hat eine kleine Altstadt, ansonsten viele, viele Hotel- und Apartmentkomplexe, die sich um den langen Sandstrand gruppieren.

Wir fahren in vielen Kurven die Berge hinauf und ins Hinterland Richtung Podgorica, der Hauptstadt von Montenegro.

Unser Zwischenziel ist das Kloster von Ostrog, das leider recht abgelegen und umständlich zu erreichen ist. Insbesondere, da unklar ist, wie hoch die unbeschilderte Unterführung unter der Eisenbahnstrecke hindurch ist. Wir wissen nur, dass sie niedriger als 3m hoch ist, aber nicht wie viel niedriger. Balu ist aber 2.86 m hoch! Da wir keine Lust haben, auf einer schmalen, kurvigen Bergstraße vor einer zu niedrigen Unterführung wenden zu müssen wählen wir die 20 km längere neue Straße ohne Unterführung. Sie schraubt sich in vielen Serpentinen den Hang hoch, wäre an sich breit genug für Begegnungen, wenn nur jemand die Büsche am Straßenrand zurückschneiden würde. Eigentlich wollten wir das Kloster wegen der komplizierten Anfahrt auslassen, ändern aber unseren Plan, als wir hören, dass der 81-jährige Alois zum Kloster hochgefahren ist. Da packt einen dann doch der Ehrgeiz!

Ostrog ist ein weithin bekannter orthodoxer Wallfahrtsort und entsprechend belebt an einem Sonntag. Die Schlange zur Kirche hinauf ist lang, sehr lang und man kann nur vorrücken, wenn jemand oben die Kirche wieder verlässt. Alle vor uns haben Bündel von Kerzen in der Hand, die wollen schließlich abgebrannt werden. Wir überschlagen die Wartezeit und beschließen, dass wir uns das Innere der Kirche schenken werden. Ein weiterer Grund ist, dass wir das Ganze für einen Super Spreader Event halten. Niemand trägt eine Maske (außer uns), niemand hält Abstand und die Kirche ist proppenvoll. Später hören wir von Reisegenossen, dass die Gläubigen innen die Ikonen küssen, als gäbe es keine Infektionsgefahr. Und das Ganze bei einer Inzidenz von knapp über 700.

 

Nun geht es hoch in die Berge, hinter Niksic steigt die Straße schnell hoch auf 1500 m und die Landschaft ändert sich komplett. Kein mediterraner Bewuchs mehr, sondern Tannen und Laubbäume.

Und viele, viele Serpentinen und Kurven, alle mit Geschwindigkeitsbeschränkung auf 40 km/h. So ist es fast 17:00 als wir am Campingplatz ankommen. Zur Begrüßung gibt es für die Gruppe selbstgebrannten Slivovitz und überaus leckere Salami, Schinken und Schafskäse. Wir befinden uns hier im Durmitor Nationalpark auf 1450 m Höhe mit Blick auf die umliegenden Berge, die alle 2500 m hoch sind.

Am Morgen des 20.9. regnet es heftig, so dass die geplante Wanderung um den Crno See fraglich erscheint. Aber kurz vor zehn Uhr klart es auf und wir ziehen los, mit Mina, dem Campingplatzbesitzer und seinen zwei Hunden. Der See und der ihn umgebende Wald sind sehr schön. Erstaunlicherweise sind nicht wenige ausländische Touristen unterwegs: aus USA, Israel, Venezuela und auch einige Deutsche und Österreicher.

Am Nachmittag drehen Peter und ich noch eine kleine Runde um die Anhöhe oberhalb des Campingplatzes und treffen außer ein paar freilaufenden Kühen niemanden.

Hyperlapse Video im Durmitor Nationalpark. Für Video hier klicken

Am Abend gibt es die Reste vom Begrüßungsessen von vorgestern: Lamm satt mit sehr leckerem Gemüsereis. Und natürlich Slivovitz, selbst gebrannt von Mina, dem Campingplatzbesitzer. Der ist so gut, dass wir vom Campingplatzbesitzer eine 1 l Flasche kaufen, obwohl wir sonst eigentlich nicht so gerne Schnaps trinken.

Am Morgen hängen die Wolken extrem tief, man kann die Berge nicht mehr sehen. Wir brechen auf Richtung Tara Schlucht, allerdings über eine schmale, kaum befahrene Nebenstrecke, die uns an zwei weiteren mittelalterlichen Gräberfeldern, Stecci vorbeiführt. Diese sind schlechter erhalten als die bei Stolac, liegen dafür einsam in einer wunderschönen leicht hügeligen Hochebene. Mystisch! Und diese Stille….außer wenn Peters Drohne unterwegs ist!

Balu in einer Hochebene von Montenegro. Zum Ansehen des Videos hier klicken

Einen Rundflug über die alten Grabsteine könnt ihr als Video hier sehen

Als wir die Tara Schlucht erreichen, regnet es leider. Schade, sonst wären wir sicherlich mit der über 1 km langen ZIP Line über die Schlucht gerauscht. So gehen wir nur ein Stück auf die Brücke, bis Peter die Krise bekommt, angesichts des bröckelnden Betons. Wir schauen die Brücke daher von der überdachten Terrasse eines Cafés aus an und trinken zum Aufwärmen eine heiße Schokolade, die sich als flüssiger, heißer Schokopudding entpuppt. Der sättigt so, dass wir kein Mittagessen mehr brauchen. Die Fahrt geht immer die Schlucht entlang aber es gibt nur wenige Plätze, an denen man halten und hinunterschauen kann. Es erinnert stark an die Verdon Schlucht!

Meine Fotohummel in der Taraschlucht ca. 70m unter uns. Zum Ansehen des Videos hier klicken.

Heute ist unsere letzte Nacht in Montenegro, morgen geht es über die Grenze nach Serbien! Fazit zu Montenegro: ein kleines Land, aber landschaftlich ungeheuer vielfältig und definitiv eine Reise wert! Interessanterweise ist die Landeswährung der Euro! Wie das in einem Nicht-EU-Land funktioniert ist uns noch unklar.

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